Grüner Strom für Quartiere und Stadtteile, umweltfreundlich produziert, kostengünstig und mit Vorteilen für alle Beteiligten – das geht nicht? Doch, das geht. Mit Energy Sharing ließe sich die Energiewende entschieden voranbringen. Gleichzeitig ist das Konzept für den Immobilienbereich interessant und ermöglicht es, Strom trotz aktueller Krisen günstig und lokal bereitzustellen. Allerdings bestehen derzeit noch regulatorische Hürden, andere Länder in Europa sind schon deutlich weiter als die Bundesrepublik. In diesem Beitrag erhalten Sie einen Überblick zum Thema.
Ganz gleich ob der Blick nach Hamburg, Berlin, Frankfurt oder München geht – noch sind die Dächer größtenteils leer. Dabei bietet der Immobiliensektor mit seinen zahlreichen Gebäuden enormes Flächenpotenzial für die Energiewende. Beispielsweise mit Photovoltaik ließe sich auf effiziente Weise grüner Strom auf den Dächern produzieren, und zwar ohne in Flächenkonflikt mit anderen Nutzungsszenarien zu geraten – so weit die Theorie. Die Praxis sieht allerdings anders aus. Vielen Akteuren der Immobilienwirtschaft erscheinen die regulatorischen Hürden für Energieerzeugungsanlagen nach wie vor zu hoch und die Anreize erweisen sich als zu gering. Es fehlt an interessanten und lohnenden Konzepten. Dabei bieten gerade die Städte den Raum für innovative Versorgungslösungen. Hier lässt sich übergreifend denken – nicht nur in einzelnen Gebäuden, sondern in Quartieren, ja in ganzen Stadtteilen.
Der gemeinschaftliche Gedanke spielt für die Energiewende mittlerweile eine wichtige Rolle. Das beginnt beim Bau von Gemeinschaftskraftwerken und endet bei vernetzten Versorgungs- und Sharing-Konzepten für moderne Quartiere. Die Stadt der Zukunft arbeitet kollaborativ und versorgt sich über viele dezentrale Stellen. Ein großes Kraftwerk in der Umgebung, das die vollständige Energielieferung übernimmt? Was früher vielleicht einmal gewünscht war, ist nicht mehr üblich und mit erneuerbaren Energien schlichtweg nicht umsetzbar. Das ist den gesetzgebenden Instanzen bewusst, die vermehrt auf gemeinschaftliche Versorgungskonzepte setzen. Hierzu zählt beispielsweise der Mieterstrom, der jedoch nur auf ein Gebäude oder einen zusammenhängenden Gebäudekomplex beschränkt ist. Wesentlich größer gedacht ist eine andere Idee, die sogar schon einen gesetzlichen Rahmen hat: das Energy Sharing.
Beim Energy Sharing geht es prinzipiell um eine regionale, gemeinschaftliche Energieerzeugung und -nutzung. Hierbei bilden einzelne Gebäude gleicher oder unterschiedlicher Eigentümer:innen eine Energiegemeinschaft. Das können Gebäude von privaten Eigentümer:innen oder Eigentümergemeinschaften sein, von Wohnungsunternehmen oder Akteuren der kommunalen Verwaltung. Den Kern des Konzepts bilden technologieneutrale Energieerzeugungsanlagen von PV bis Wind, aber auch Power-to-X- und Speicheranlagen.
Betrachten wir dies am Beispiel einer PV-Anlage: Diese produziert dann nicht nur Strom für jene Immobilie, auf der sie steht. Die Anlage versorgt alle Gebäude in der Umgebung, die zur Energiegemeinschaft gehören – und zwar mit vergünstigtem Strom, der unter dem üblichen Marktpreis verkauft werden kann. Möglich macht dies das bereits vorhandene öffentliche Stromnetz, über welches der Strom zu den anderen Gebäuden fließt und bevorzugt dort verbraucht wird. Dieses Konzept bietet eine ganze Reihe an Vorteilen:
Energy Sharing erlaubt es Erzeugern, Strom nicht nur am Entstehungsort selbst zu verbrauchen, sondern auch an andere zu verkaufen. Bislang hatten Immobilienbesitzer:innen lediglich die Option, überschüssige Energie aus ihren Anlagen ins Netz einzuspeisen und dafür die Einspeisevergütung zu erhalten. Wenn nun im Rahmen einer Energiegemeinschaft Strom verkauft werden kann, wird eine Energieerzeugungsanlage für sie deutlich attraktiver und vergrößert ihre Flexibilität.
Andere in der Energiegemeinschaft, die als Verbraucher fungieren und den lokalen Strom abnehmen, profitieren ebenso. Der für das Energy Sharing vor Ort produzierte Strom ist günstiger als bei herkömmlichen Lieferverträgen und in preislich stark volatilen Zeiten eine attraktive Alternative.
Energy Sharing eignet sich optimal für die nachhaltige Entwicklung von Quartieren oder das Energiemanagement in ganzen Stadtteilen. Erneuerbare Energien lassen sich lokal produzieren und nutzen, ohne von Anlagen im Fremdeigentum oder einem einzigen Netzanschluss abhängig zu sein. Auf die Größe eines Quartiers oder Stadtteils bezogen, sorgen gleich mehrere Gebäude mit Erzeugungsanlagen für die Gemeinschaft vor Ort.
Nicht zuletzt erweist sich Energy Sharing als Gewinn für das Stromnetz und das Klima. Die lokale Produktion ist umweltfreundlich und gleichzeitig effizient. Übertragungsverluste, die normalerweise beim Transport von Strom zwischen Kraftwerk und Verbrauchsstelle über kilometerlange Leitungen entstehen, bleiben nahezu vollständig aus. Beim Energy Sharing sind außerdem weniger kostenintensive systemstabilisierende Eingriffe ins Stromnetz erforderlich.
Ein neues Versorgungskonzept im Immobiliensektor, das der Energiewende in erheblichem Maße zugutekommt? Das könnte tatsächlich stark gefragt sein, zumal die Immobilienbranche ohnehin unter großem Innovationsdruck steht. Bislang bleibt das zukunftsweisende Konzept des Energy Sharing allerdings in weiten Teilen bloße Theorie. Denn bereits die anstehende Sanierungswelle im Wärmebereich bringt enorme Herausforderungen mit sich. Für viele Akteure kommt es schlichtweg nicht infrage, sich außerdem noch durch zahlreiche Regularien in puncto Strom zu kämpfen.
Die Europäische Union hat in diesem Punkt gegengesteuert. Mit dem Erlass der Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energien aus erneuerbaren Quellen (RED II) wurde ein neuer Rahmen für kollaborative Konzepte wie Energy Sharing geschaffen. Ziel der Richtlinie ist es unter anderem, die bürokratischen Hürden für den Aufbau von Energiegemeinschaften abzubauen. Hierfür sollen die EU-Staaten ihre nationalen Gesetze überarbeiten und neue Anreize schaffen. Einige Länder haben bereits reagiert. So hat Österreich eine Koordinierungsstelle für Energiegemeinschaften geschaffen. In Italien gibt es sogar schon erste Praxisprojekte: Die Energiegemeinschaft Energie-Werk Prad Genossenschaft (EWP) versorgt sich in Südtirol beispielsweise vollständig autark mit Strom und Wärme.
Hierzulande steht Energy Sharing noch in den Startlöchern. Zwar wurde im aktuellen Koalitionsvertrag festgehalten, entsprechende Konzepte zu stärken. Geschehen ist allerdings noch nicht viel. Obwohl die Richtline "RED II" bis zum 30. Juni 2021 hätte umgesetzt werden müssen, ist es noch nahezu unmöglich, Strom mit Nachbargebäuden über ein Grundstück hinaus zu teilen.
Die Energiewirtschaft und der Immobiliensektor werden als Treiber der Energiewende weiter zusammenwachsen. Der kollaborative Gedanke steht hierbei im Vordergrund. Umso wichtiger ist es, Regularien abzubauen und die Forderungen der Europäischen Union zugunsten von Energy Sharing umzusetzen. Wir von ENGIE Deutschland begrüßen entsprechende Initiativen seitens der gesetzgebenden Instanzen. Bis dahin stehen wir unseren Kund:innen mit wirtschaftlichen und nachhaltigen Quartierslösungen zur Seite. Ebenso beraten unsere Energieexpert:innen zur Digitalisierung im Energiebereich. Gekoppelt an Konzepte wie das Energy Sharing wird diese künftig eine entscheidende Rolle bei der Energiewende im Immobilienbereich spielen.