2022 war ein historisches Jahr für den Energiemarkt mit Preisen in Rekordhöhe. Vielen Marktteilnehmern wird es als Synonym für Unsicherheit im Gedächtnis bleiben. Doch was war los und was kommt 2023 voraussichtlich auf uns zu? Katrin Fuhrmann, Head of Origination bei ENGIE, zieht ein Resümee und gibt einen Ausblick aus Marktsicht.
Viele Akteur:innen auf dem Energiemarkt waren 2022 nahezu sprachlos. Noch 2021 hätte niemand mit solch einer überspannten Marktsituation gerechnet. Energieproduzenten, Händler sowie Stromabnehmer gerieten von einem Extrem ins nächste. Diese Entwicklung begann bereits 2020 während der Coronapandemie. Sie löste die niedrigsten Energiepreise aus, die wir bisher gesehen haben. Daraufhin gestaltete sich das Folgejahr 2021 aufgrund der weltwirtschaftlichen Lage als Marktjahr schwierig. Nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine machte sich 2022 dann regelrecht Panik am Energiemarkt breit und diese Unsicherheit schaukelte sich bis zum Sommer massiv hoch. Das zeigt die Strompreisentwicklung 2022 auf einen Blick:
Zu der extremen Strompreissteigerung haben neben dem Krieg in der Ukraine und dem Abebben der russischen Gaslieferungen insbesondere die Nichtverfügbarkeiten der französischen Nuklearkraftwerke über den Sommer hinweg beigetragen – und gerade diese sind für die europäische Versorgung wichtige Anlagen. Die Inbetriebnahme wurde obendrein mehrfach verschoben. Das hat die Preise auf dem Energiemarkt zusätzlich spekulativ nach oben schießen lassen. Teilweise lagen sie in Deutschland bei bis zu 1.000 Euro pro Megawattstunde. Das sind schlagartig fast 15-mal höhere Preise, als es bislang üblich war. Zudem schwankten die Preise teilweise um bis zu 200 Euro am Tag. Wer soll da noch effizient und geplant handeln?
„Extreme Volatilität, Engpässe, Höchstpreise – 2022 war ein Jahr, welches Extreme gesehen hat, die wir hoffentlich nicht wieder erleben müssen. Wir sind alle durch neue Höhen und Tiefen gegangen. Die Frage ist sicherlich, wie es weitergeht und was wir in diesem Jahr erwarten können.“
Katrin Fuhrmann, Head of Origination bei ENGIE
Auf Anbieterseite haben die hohen Energiepreise für Hochstimmung gesorgt. Die Stromproduzenten konnten ihre Produkte nach der langen Tiefpreisphase und den zuvor weniger guten Jahren deutlich besser vermarkten. Das war ein wichtiges Signal, insbesondere für den weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien. Auf der anderen Seite standen hingegen die Industrieunternehmen, die viel Energie benötigen und teilweise nicht mehr wussten, was sie wegen der hohen Preise machen sollten.
2022 haben wir intensiv abgewogen, was wir unseren Kund:innen an Lösungen offerieren. Im Fokus stand, Festpreise für erneuerbare Energien zu fixieren – und zwar den Unsicherheiten zum Trotz nicht nur für das kommende Jahr, sondern für die nächsten zwei bis drei. Das dafür ideale Handelsinstrument bilden langfristige Power Purchase Agreements (PPAs). Vornehmlich fest bepreiste Stromlieferverträge über längere Zeiträume ermöglichen es Unternehmen, die Stromkosten und Risiken trotz Panik am Markt unten zu halten. Dabei spielen Festpreise ferner deshalb eine wichtige Rolle, weil viele Banken sie hierzulande für die Kreditvergabe voraussetzen.
Allerdings: Aufgrund der volatilen und völlig offenen Marktsituation im Sommer hat sich fast niemand mehr zugetraut, Festpreise herauszugegeben – anders bei ENGIE. Wir haben dennoch die Preise für unsere Kund:innen bis auf drei besonders extreme Wochen fixiert. Das war eine Besonderheit am Energiemarkt – und tatsächlich keine leichte Aufgabe. Um auf die schnellen Preissprünge zu reagieren und nicht zu viel Risiko in die Bücher zu nehmen, mussten wir mit Anbietern und Abnehmern oft zeitgleich verhandeln. Dabei konnten wir trotz der Umstände wegweisende Lösungen für den Energiemarkt realisieren.
Zu unseren erfolgreichsten Projekten aus 2022 zählt im Speziellen das PPA mit Digital Realty. Mit dem Betreiber von Rechenzentren haben wir einen Langzeit-Stromliefervertrag mit einer Kapazität von 116 Megawattstunden zum Festpreis abgeschlossen. Ein neuer Solarpark der Investmentgesellschaft CEE-Gruppe in Brandenburg wird den Strom künftig liefern. Was hat die Vereinbarung so interessant macht? Zum einen war es tatsächlich eine Besonderheit, in einem so unsicheren Markt ein PPA für 10 Jahre mit festgeschriebenen Preisen abzuschließen. Zum anderen haben wir es zügig geschafft, die unterschiedlichen Strukturen und Wünsche unserer Kunden unter einen Hut zu bringen.
„Als ein wichtiger Akteur im Bereich der erneuerbaren Energien bringen wir Anbieter und Abnehmer von grünem Strom zusammen, sogar in einem sehr volatilen Marktumfeld. Diese Transaktionen unterstützen die Entwicklung weiterer erneuerbarer Energien in Deutschland.“
Katrin Fuhrmann, Head of Origination bei ENGIE
Einen Preissprung wie im vergangenen Jahr wird es vermutlich nicht geben. Es bestehen jedoch weiterhin einige Unsicherheiten. So hat sich der Energiemarkt zwar wieder beruhigt, zurücklehnen kann sich dennoch niemand. Im Gegenteil:
Wir von ENGIE sind stolz auf unsere Performance im vergangenen Jahr. 2023 freuen wir uns darauf, unsere Kund:innen wieder mit maßgeschneiderten Lösungen zu unterstützen. Derzeit arbeiten wir weiter an unseren Produkten für die Dekarbonisierung unserer Kund:innen und werden unsere Position im PPA-Bereich ausbauen. Hierzu zählen Langzeit-PPAs für neue Parks sowie flexible Kurzzeit-PPAs für bestehende Anlagen. Im Downstream-Bereich arbeiten wir an Produkten zur 24/7-Vollversorgung. Ebenso suchen wir nach individuellen Lösungen für neue Akteure wie die Stahlindustrie, die Chemiebranche und weitere Unternehmen, die den Schritt in die Welt der PPAs wagen wollen. Zudem gehen in diesem Jahr einige unserer eigenen Anlagen ans Netz. Dazu haben wir noch zahlreiche Zukunftsprojekte auf der Agenda. Ob LNG, Biomethan oder Wasserstoff – jetzt beginnt die Zeit, wo wir bei solchen Produkten über Abnahmeverträge reden.