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Recycling von Windkraftanlagen: Neuer Meilenstein für die Kreislaufwirtschaft

27. August 2024

Einen großen Beitrag zur Klimaneutralität liefern Windkraftanlagen ohnehin bereits. Den ökologischen Fußabdruck minimieren sie jedoch noch deutlicher, wenn sie am Ende ihrer Lebensdauer effektiv recycelt werden können und Teil einer Kreislaufwirtschaft werden. Einen großen Durchbruch im Zusammenhang mit dem vollständigen Recycling von Windkraftanlagen erzielte ein internationales Projekt, das den ersten Windturbinenflügel hervorbrachte, der vollständig recyclebar ist. ENGIE Laborelec, Teil von ENGIE Research & Innovation, war maßgeblich beteiligt an diesem sensationellen Fortschritt in der Rotorblattproduktion.
 

Warum braucht es neue Rotorblätter?

Die Windenergiebranche ist unermüdlich auf der Suche nach neuen Ideen und Werkstoffverbindungen für einzelne Bauteile von Windkraftanlagen. Ziel ist es, diese so vollständig verwertbar wie möglich zu machen, um das Repowering von Windrädern grüner zu gestalten. Eine Herausforderung stellten bislang die Windflügel dar, da es für herkömmliche Versionen noch keine Recyclinglösungen im industriellen Maßstab gibt. Das verbaute Material lässt sich nicht für neue Flügel wiederverwenden und hinterlässt nach seiner Nutzungszeit viel Abfall – ein Umstand, mit dem sich die Branche nicht zufriedengeben möchte.

Das im September 2020 gestartete Projekt ZEBRA ist eine einzigartige Partnerschaft, die vom französischen Forschungszentrum IRT Jules Verne geleitet wird und Industrieunternehmen wie Arkema, CANOE, ENGIE, LM Wind Power, Owens Corning und SUEZ zusammenbringt. Ziel des Projekts ist es, die technische, wirtschaftliche und ökologische Relevanz von Windturbinenblättern aus thermoplastischen Kunststoffen in großen Maßstab zu demonstrieren, wobei ein Ökodesign-Ansatz das Recycling erleichtern soll.

Wer ist Laborelec? Laborelec ist eines von vier Forschungszentren der ENGIE Gruppe, die sich modernen Lösungen für die Energiewende widmen. Von seinem Hauptsitz in Belgien aus befasst sich Laborelec mit elektrischen Energietechnologien. Die Arbeit der 370 spezialisierten Techniker:innen und Ingenieur:innen umfasst die gesamte Stromwertschöpfungskette: Erzeugung, Übertragung, Verteilung, Speicherung und Endnutzung von Strom.

Wie kam es zum Projekt ZEBRA und was beinhaltet es?

Ob an Land oder auf See erzeugt – Windenergie spielt eine entscheidende Rolle beim weltweiten Übergang zur kohlenstofffreien Energiegewinnung. Mit einer Produktlebensdauer von 30 Jahren und einer 85- bis 90-prozentigen Fähigkeitsrate beim Recycling präsentieren sich Windkraftanlagen schon heute als ausgesprochen nachhaltig. Die Windkraftindustrie hat sich dennoch das Ziel gesetzt, die Lücke zu schließen – ein wichtiger Schritt dabei: die Entwicklung und Herstellung der ersten vollständig recycelbaren Rotorblätter für Windkraftanlagen. Im Rahmen des Projekts wurden zwei Varianten von Windflügeln - in den Längen 62 und 77 Meter hergestellt. Verwendet wurde das recycelbare thermoplastische Elium®-Harz, Ultrablade® GLAS-POWERED™-Gewebe und - im Falle des 77 Meter langen Flügels - Kohlefasern sowie ein Schergewebe aus recyceltem Elium®-Harz.

Hintergrund

Beim Repowering von Windrädern, also dem Austausch von veralteten Anlagen durch neue, leistungsfähigere Modelle, geht es um die Energieeffizienz- neuere Anlagen sind leistungsfähiger und führen zu höheren Stromerträgen als alte. Ein Großteil des Abbruchmaterials der alten Windräder kann schon heute wiederverwendet werden, etwa Komponenten vom Turm, das Fundament oder der Bodenaushub, Die Windturbinenflügel bestehen bislang jedoch aus duroplastischen Harzen, die sich kaum recyceln lassen. Die neuen Elium®-basierten Verbundkomponenten können nun wiederverwertet werden, indem das Harz vollständig depolymerisiert, die Fasern vom Harz getrennt und ein neues recyceltes Harz und Glasfasern zurückgewonnen werden. Alle rückgewonnenen Komponenten können für die Herstellung neuer Rotorblätter verwendet werden, wodurch sich der Kreislauf schließt.

Nach zahlreichen Materialprüfungs- und Prozessversuchen gelang es im Jahr 2022, das erste 62 Meter lange Rotorblatt aus Thermoplastharz herzustellen. Es folgten die Inbetriebnahme der Klinge sowie Lebensdauertests, das Recycling von Produktionsabfällen, der Wiederabbau und das Recycling des Turbinenflügels sowie die Analyse der Testergebnisse. In Kürze werden die ökologischen und wirtschaftlichen Aspekte einer weiteren Verwendung des thermoplastischen Materials für zukünftige Rotorblätter vollständig beurteilt.
 

Aussicht auf komplettes Recycling: Windkraftanlagen aus wiederverwertbaren Bauteilen

Die Erfindung stellt einen bahnbrechenden Fortschritt im Streben der Windindustrie nach einer Kreislaufwirtschaft dar. Das neue, im Juli 2023 produzierte zweite Zebra-Blatt mit einer Länge von 77 Metern und einem Schersteg aus recyceltem Elium®-Harz verwendet ebenfalls eine neue Holmkappen-Pultrudiertechnologie aus Carbon-Elium®-Harz und einen neuen Strukturkleber, der zusammen mit dem Elium®-Harz recycelt werden kann. Im zweiten Halbjahr 2024 sollen alle Analysen zum Vergleich der Umweltauswirkungen von Blättern aus dem ZEBRA-Projekt und herkömmlichen Duroplast-Blättern vorliegen.
 

Wie geht es weiter in deutschen und europäischen Windparks?

Das Projekt wird eine große Wirkung auf die Windenergiebranche haben. Aktuell entstehen verschiedene Konsortien, die darauf drängen, Lösungen für den Altklingenabfall zu finden. Die nächsten Schritte auf dem Weg zum vollständigen Recycling von Windkraftanlagen sind die Zertifizierung des ZEBRA-Blatts und die Einrichtung von Pilotprojekten, um die Leistung des Rotorblatts in realen Situationen zu bewerten. Immer mehr Windparkbetreiber entscheiden sich für leicht recyclebare Optionen – es kann demnach davon ausgegangen werden, dass für das Recycling konzipierte Rotorblätter in Zukunft einen immer größeren Marktanteil einnehmen werden.

Das ENGIE-Forschungszentrum Laborelec baut auf diese wegweisenden Errungenschaften auf, um weitere zukunftsweisende Lösungen zu finden: In weiteren Forschungsprojekten wollen sich die Entwickler des Thermoplastblattes darauf konzentrieren, Möglichkeiten zur Verlängerung der Lebensdauer der neuen Klinge zu erarbeiten. Außerdem ist Laborelec sehr daran gelegen, Lösungen für die Verwertung des derzeitigen Rotorblattabfalls zu erarbeiten. So wandelt sich das vollständige Recycling von Windkraftanlagen Schritt für Schritt von einer Zukunftsmusik zur fortschrittlichen Realität.

 

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Unser Experte

Elmar Knauf
Elmar Knauf ist Geschäftsentwickler im Bereich Windenergie bei LABORELEC. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung auf dem Gebiet der Windenergie. In seiner Rolle entwickelt er die langfristige Vision und Strategie für das Windproduktportfolio und ist verantwortlich für die Erstellung und Definition von technischen Nutzenversprechen.

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