„BIM ist auf alle Lebensphasen eines Gebäudes anwendbar. Insbesondere das Einsparpotenzial im Gebäudebetrieb ist enorm – doch wir sind weit davon entfernt, dieses vollumfänglich auszuschöpfen.“
Keine Frage: Die virtuelle Bauwerksmethode Building Information Modeling – uns allen kurz und gut bekannt als BIM – gilt in der Branche als der Zukunftstrend schlechthin. Große Hoffnungen liegen auf dem Modell. Das wundert kaum, denn BIM soll das Planen und Bauen sowie den Betrieb von Gebäuden transparenter, günstiger, effizienter und nachhaltiger machen. Wie steht Deutschland heute da? Sind wir BIM ready – oder vielleicht schon BIM Champions? Ein Blick zurück zeigt: Die Historie von BIM geht bis in die 1960er-Jahre zurück, als der amerikanische Computerwissenschaftler Ivan Edward Sutherland das erste computergestützte Design (CAD) in der Bauwirtschaft entwickelte. Auf dieser Basis schritt die Entwicklung von Modellierungsprogrammen rasant voran, der Softwareentwickler Robert Aish prägte bald die Begriffe Building Modeling und Building Information Modeling. Das war im Jahr 1986, also bereits vor 36 Jahren – ein durchaus langer Zeitraum für einen Zukunftstrend, um sich zu etablieren. Ich meine daher: höchste Zeit für eine Bestandsaufnahme!
Zunächst müssen wir wohl ehrlich eingestehen: Deutschland hinkte in Sachen BIM von Anfang an ein Stück hinterher. Waren die USA und Großbritannien schon frühzeitig Vorreiter, ging die Einführung von BIM in der Europäischen Union und speziell in Deutschland in kleineren Schritten voran – als Ausnahme dürfen da wohl nur die Niederlande gelten. Ein regelrechter Umbruch fand hierzulande dann in den vergangenen fünf Jahren statt, maßgeblich als Folge der Erklärung der Bundesregierung zur „Standardisierung von Prozess- und Gerätebeschreibungen, zur Entwicklung von Richtlinien für digitale Planungsmethoden und Musterverträge“, die seit 2020 alle öffentlichen Infrastrukturprojekte zur Nutzung von BIM verpflichtet. Seither ist BIM in aller Munde – auf internationaler Ebene gehört die ENGIE-Gruppe seit Jahren zu den Spezialisten. Auch unser Team von ENGIE Deutschland arbeitet mit Kund:innen und Partner:innen, die die BIM-Methode bereits versiert anwenden, und mit solchen, die ihre ersten Schritte mit BIM gehen. In allen Fällen beraten wir umfassend schon zu Beginn des Vorhabens – kontaktieren Sie bei Interesse gerne unsere Expert:innen!
Aus unserer Projektarbeit in unterschiedlichen Branchen und mit Unternehmen jeder Größenordnung wissen wir: In der Planungsphase von Immobilienprojekten hat BIM sich mittlerweile breit durchgesetzt. Den größten Einsatz verzeichnet die BIM-Technologie bei hochvolumigen und hochkomplexen Projekten. Je höher die Komplexität eines Vorhabens, je größer die Investitionssumme, desto wahrscheinlicher die BIM-Nutzung, kann man resümieren – und desto größer der Nutzen daraus. Beispielsweise arbeitet ENGIE Deutschland gemeinsam mit Partner:innen sehr erfolgreich mit BIM bei einem umfangreichen Krankenhausprojekt in Bayern und bei FAIR in Darmstadt, einem der derzeit größten und komplexesten Bauvorhaben für die internationale Spitzenforschung weltweit. Diese Projekte zeigen: Der Nutzen für alle Beteiligen ist groß, da die gemeinsame BIM-Datenbank eine hohe Transparenz im Planungsprozess gewährleistet und Korrekturen frühzeitig und nicht erst im Bau oder am fertigen Gebäude vorgenommen werden können. Allerdings: Bei kleinen und mittleren Unternehmen spüren wir aufgrund der Komplexität noch Unsicherheit bei der Anwendung von BIM; häufig werden mit BIM tatsächlich noch 3-D-Zeichnungen assoziiert. Und unsere Erfahrung zeigt, dass Betrieb und Facility Management nur sehr selten mit am BIM-Tisch sitzen. Vom Bau- in den Betriebsprozess besteht ein massiver Bruch – und das heißt ganz konkret, dass rund 80 Prozent des Lebenszyklus eines Gebäudes nicht betrachtet werden. Diese Tatsache steht konträr zur Grundidee von BIM, die alle Phasen und alle Beteiligten des Bauprojektes gleichberechtigt an ebendiesem Tisch sieht. Warum aber ist das so – warum fehlt uns der letzte Meter BIM, salopp gesprochen?
Die Frage ist komplex, weil BIM komplex ist. Und eine einfache Antwort gibt es damit nicht. Lassen Sie mich dies mit einem Beispiel veranschaulichen: Bei ENGIE Deutschland haben wir unser Start-up-Team in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut. Mehr als 20 neue Spezialist:innen sind für die sogenannte Transition bei unseren Kund:innen im Einsatz, agieren also sozusagen als Vorhut des Betriebs und sind dafür verantwortlich, sämtliche Daten und Assets der jeweiligen Immobilie in das CAFM-System einzupflegen, das wir für den Betrieb einsetzen. Dieser Prozessschritt ist äußerst wichtig, denn er stellt die Basis für eine effiziente Bewirtschaftung und für ein optimales Facility Management dar. Laut BIM-Theorie sollten diese Daten schon vorhanden und in einer gemeinsamen Datenbank für alle Projektbeteiligten abrufbar sein. In der Praxis ist dies leider nicht der Fall. Warum? Weil Planung und Bau andere Systeme für die Datenerfassung nutzen, weil unterschiedliche Normen zugrunde liegen, weil meistens schlicht die Schnittstellen fehlen.
Angenommen, die Situation läge anders, und die im Planungsprozess bereitgestellten digitalen Asset-Informationen könnten in der Folge mit passenden Systemen und Schnittstellen klar zugeordnet und weiterverwendet werden. Selbst dann würde uns rasend schnell die Realität einholen – beispielsweise, weil sich im späteren Betrieb zeigt, dass ein benötigtes Ersatzteil nur mit langer Lieferzeit verfügbar oder überhaupt nicht mehr erhältlich ist. Spätestens seit der weltweiten Versorgungskrise stehen unsere Spezialist:innen dieser Herausforderung laufend gegenüber. Dann bleibt als Lösung nur, eine adäquate Alternative einzusetzen; dies jedoch wird wohl in den seltensten Fällen wieder im BIM-System aktualisiert, da eben nur vereinzelt Schnittstellen bestehen. Da das in der Praxis nicht mit einem, sondern mit hunderten und tausenden Assets und Komponenten geschieht, wäre der administrative Aufwand ohnehin nicht zu stemmen. Was aber ist ein BIM-Prozess wert, wenn die Datenbank nicht die tatsächlich eingesetzten Teile aufzeigt?
Liebe Leser:innen, ich bin ein Verfechter von BIM. Das mag Sie nach meinen letzten Zeilen überraschen. Es ist nur so: Theoretisch spiegelt BIM eine schöne neue Welt wider – aber keinesfalls die Realität. Dies allerdings trifft auf so gut wie alle Theoriemodelle zu und verwundert daher kaum. Nichtsdestotrotz bin ich davon überzeugt: Es liegt noch zu viel Potenzial brach. Aus BIM könnten wir mehr Nutzen ziehen, als wir es heute tun. Ich glaube an BIM als eine konstruktive Form der Partnerschaft aller Projektbeteiligten. Dabei wäre es zentral, dass der Betrieb früher eingebunden und dass ein durchgängiger Qualitätsprozess über das gesamte BIM-Projekt hinweg durchgeführt wird. Dabei sollte generell ein stärkerer Fokus auf den Datenschnittstellen der CAFM-Systeme liegen als bisher. Der ökonomische Vorteil wäre immens, da bei Immobilien, wie vorab bereits erwähnt, rund 80 Prozent des wirtschaftlichen Erfolgs vom Betrieb abhängt – und mehr Transparenz schnell zu mehr Effizienz in der Wertschöpfungskette führte. Ganz zu schweigen von den Energie- und CO2-Einsparungen, die realisiert würden. Selbst wenn das perfekte BIM-Modell in der Praxis selbstredend an Grenzen stieße, ist es bis dahin noch ein langer Weg mit vielen Chancen. Schreiten wir auf diesem Weg künftig mit großen Schritten voran, optimieren wir Schnittstellen und legen mehr Fokus auf durchgängige Qualitätsprozesse, wandelt sich BIM hoffentlich bald von Zukunftsmusik zur Wirklichkeit.
Welche Erfahrungen haben Sie mit BIM gesammelt? Wie gestaltet sich das digitale Miteinander von Planung, Bau und Betrieb bei Ihren Projekten? Schreiben Sie mir gerne, ich bin gespannt auf Ihre Nachrichten – und freue mich darauf, wenn auch der letzte BIM-Meter überwunden wird!
Herzlichst
Ihr Manfred Schmitz
CEO ENGIE Deutschland