Die Pläne der Bundesregierung zur Eindämmung des Klimawandels sind ehrgeizig: Unter anderem soll bis zum Jahr 2050 der gesamte Gebäudebestand klimaneutral sein. In den kommenden 30 Jahren muss dementsprechend jedes bestehende Gebäude und jeder Neubau auf dieses Ziel vorbereitet werden. Doch ist das überhaupt möglich? Nicht jedes einzelne Gebäude und nicht jede Immobilie im Bestand kann dieses Ziel erreichen. Hilfreich ist daher vielmehr der Blick auf mehrere zusammenhängende Gebäude als Quartier. Es ist oftmals leichter und wirtschaftlicher, eine Lösung für eine Gruppe von Gebäuden zu finden als für jedes einzelne Gebäude. Jetzt ermöglicht das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) zum ersten Mal Quartierslösungen. Lesen Sie im Folgenden mehr über die Bedeutung der Energieversorgung im Quartier und erfahren Sie, was sich genau durch das GEG ändern wird.
Planer*innen betrachten in der Regel nur individuelle Gebäude. In ihrer Arbeit optimieren sie die Energie- und Klimabilanz einzelner Häuser durch effiziente Gebäudehüllen und eine moderne Gebäudetechnik. Bei ihrem Fokus auf das einzelne Gebäude gelangen sie jedoch häufig an die Grenzen der Optimierung, sei es aus Gründen der Wirtschaftlichkeit oder des Denkmalschutzes. Wirkungsvoller kann es daher sein, die Energiebilanz eines Ensembles von mehreren Gebäuden zu betrachten und zu optimieren. Gebäude stehen in einem städtischen Umfeld nicht für sich alleine. Sie wirken immer in Beziehung zueinander und zu ihrer Umgebung. Daher spielt das Quartier auch mit den sozialen und kulturellen Aspekten für die Bewohner*innen und Eigentümer*innen eine große Rolle. Eine einheitliche Definition eines Quartiers gibt es nicht. Die Beschreibung aus dem Merkblatt der KfW für die energetische Stadtsanierung kann jedoch gut dafür verwendet werden:
Im Vergleich zur Betrachtung einzelner Gebäude können für ein Quartier zusätzliche Energiekonzepte umgesetzt werden. Das können zum Beispiel Nahwärmelösungen sein, die häufig effizienter und wirtschaftlicher sind als einzelne Wärmesysteme für jedes Gebäude. So kann das Quartier helfen, ambitionierte Ziele zur Reduzierung von CO2-Emissionen zu erreichen. Ein weiterer positiver Effekt im Quartier ist die Chance, das Zusammenspiel verschiedener Energiequellen und -verbraucher effektiv zu nutzen. So kann ein intelligentes Energiemanagement unterschiedliche Sektoren zusammenbringen. Neben der Wärme- und Stromversorgung gehören auch die Mobilität sowie die Abfallwirtschaft und weitere Dienstleistungen für eine Smart City dazu.
Bei der energetischen Bewertung von Gebäuden war es bislang nur möglich, einzelne Gebäude zu betrachten. Das neue Gebäudeenergiegesetz, gültig seit dem 01.11.2020, ermöglicht es Planer*innen, Bauherr*innen und Eigentümer*innen, durch den § 107 eine gemeinsame Versorgung mehrerer Gebäude mit Wärme oder Kälte zu vereinbaren. Diese Regelung ist befristet bis 31.12.2025. In dieser Vereinbarung können sie die Errichtung und den Betrieb gemeinsamer Anlagen zur Energieerzeugung, -verteilung, -speicherung und -nutzung mit erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung regeln. Sie können damit auch die gemeinsame Erfüllung für die anteilige Nutzung von erneuerbaren Energien zum Wärme- und Kälteenergiebedarf vereinbaren. Ungeachtet der Vereinbarung muss jedes Gebäude nach wie vor die Anforderungen für den Gesamtenergiebedarf einhalten. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die Energieeffizienz durch die Regelung nicht verschlechtert.
Eine weitere Neuerung im GEG ist die sogenannte Innovationsklausel im § 103. Mithilfe dieser Klausel können bis Ende 2023 die Treibhausgasemissionen gleichwertig durch ein alternatives Verfahren begrenzt werden. Die Treibhausgasemissionen müssen dabei bei der Alternative gleich sein (Technologiefreiheit), wobei der zulässige Endenergieverbrauch begrenzt ist. Zusätzlich ist den nach Landesrecht zuständigen Behörden nach einem Jahr ein Bericht mit den wesentlichen Erfahrungen vorzulegen.
Eine zusätzliche Bedeutung hat die Energieeffizienz von Quartieren durch die EU-Gebäuderichtlinie von 2018. Dort ist festgeschrieben, dass die EU bei der Überprüfung der Richtlinie in 2026 die Erfahrungen mit integrierten Quartiers- und Nachbarschaftsansätzen untersuchen wird. Damit können Quartiere künftig eine größere Rolle spielen – und die EU auf ihrem Weg unterstützen, ihre Klimaziele zu erreichen.
Für kommunale Gebietskörperschaften, also Gemeinden, Städte und Landkreise, die in die Energieeffizienz von Quartieren investieren möchten, gibt es passende Förderprogramme der KfW. So erhalten sie für die Erstellung von energetischen Quartierskonzepten einen Zuschuss von 65 Prozent der förderfähigen Kosten im KfW Programm Energetische Stadtsanierung (432). Zu diesem Konzept gehören Analysen über den Ist-Zustand sowie der Potenziale für die Einsparung und die Ziele für die Energiebilanz nach der Sanierung. Im Programm „IKK -Energetische Stadtsanierung – Quartierversorgung“ erhalten kommunale Gebietskörperschaften einen Förderkredit für Investitionen zur Verbesserung der Energieeffizienz von kommunalen Wärme-, Kälte- Wasser- und Abwassersystemen im Quartier. Über dieses Programm ist eine Finanzierung zu 100 Prozent möglich. Zusätzlich erhalten sie einen Tilgungszuschuss von zehn Prozent. Zu den förderfähigen Maßnahmen gehören z. B. die lokale Nutzung von industrieller Abwärme, die Errichtung und Nutzung von dezentralen Wärmespeichern sowie Wärme- und Kältenetze.
Gebäude-Ensembles statt einzelner Bauten zu erfassen, lohnt sich: Ein Quartier hat neben den sozialen und kulturellen Aspekten auch Vorteile in der energetischen Betrachtung. Eine gemeinsame Wärme- und Kälteversorgung kann deutlich effizienter und wirtschaftlicher sein als für jede einzelne Immobilie im Quartier. Mit dem neuen GEG kommt nun die Bedeutung der Quartiere in der Energieversorgung erst richtig zum Tragen und wird in Zukunft merklich zunehmen. Somit ist das Gebäudeenergiegesetz ein wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zum wichtigen Etappenziel 2050: einem klimaneutralen Gebäudebestand.