Einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Bau- und Immobilienbranche von morgen leisten: Das hat sich die am 20. Januar 2022 in Berlin gegründete Smart Building Innovation Foundation (kurz: SBIF) auf die Fahne geschrieben. Vertreter:innen der Immobilienwirtschaft, Industrie, Technik und Wissenschaft haben hier eine Plattform für wissenschaftlich begleitete Anwendungsinnovationen gefunden. Als Gründungspartner der Smart Building Innovation Foundation haben wir mit Andreas Thamm, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der UBM Development Deutschland GmbH, gesprochen. Er gab uns Einblicke in die Entstehung der Stiftung, seine Motivation, erste Projekte und seine Vision für die kommenden Jahre.
Andreas Thamm: „Es gab verschiedene Motivationen. Eine Motivation ist die Identifizierung von Anwendungen, die für den Nutzer wirklich einen Mehrwert bringen. Das hört sich sehr simpel an – ist es aber nicht. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich habe in der Vergangenheit für ein sehr innovatives holländisches Unternehmen gearbeitet. Dort hatten wir mit Firmen wie Oracle und Scout genau die Mietinteressenten, die wir gerne haben wollten. Eine der Innovationen war unter anderem die Entwicklung einer App für Bürogebäude, die uns sehr viel Geld gekostet hat. Wir haben ihnen ganz begeistert unsere App gezeigt, mit der man so viel machen kann, und die Reaktion war erschütternd: „In unsere IT-Umgebung kommt keiner von Außen“, „Das brauchen wir nicht, und wenn wir es bräuchten, könnten unsere Programmierer das perfekt auf uns zugeschnitten entwickeln.“ Schlagartig wurde mir klar, dass die Idee zwar großartig war, gleichzeitig aber komplett am Bedarf vorbei.
Diese Lücke soll die Smart Building Innovation Foundation schließen. Technologiethemen sind gerade in Verbindung mit Datennutzung sehr komplex, weshalb Kompetenzen zusammengebracht und gebündelt werden müssen. Wir möchten einen Mehrwert schaffen und haben dafür Vertreter der Immobilienwirtschaft, Industrie, Technik und Wissenschaft an einen Tisch gebracht, um gemeinsam Themen und Themenbereiche zu identifizieren. Daraus sollen datenbasierte Erkenntnisse und Anwendungen entstehen, die auch öffentlich zugänglich gemacht werden.“
Andreas Thamm: „Mit Unterstützung durch die Roland Berger Strategieberatung haben wir verschiedene Organisationsformen durchleuchtet. Eine Stiftung war für uns die interessanteste Variante. Sie gewährleistet Rechtssicherheit durch ein Stiftungsrecht, und es gibt eine regulierende Behörde. In dieser Organisationsform spielt es keine Rolle, ob Sie ein kleines Unternehmen oder ein Weltkonzern sind – Sie können auf Augenhöhe agieren!
Zusätzlich haben wir uns für die Form einer gemeinnützigen Verbrauchsstiftung entschieden, um auf unterschiedlichen Ebenen gesellschaftsrelevante Themen zu bearbeiten, die sich in unserem Fall mit Nachhaltigkeit und unterstützender Technologie beschäftigen. Die Verbrauchsstiftung hat alle ihr zur Verfügung gestellten Mittel für den Stiftungszweck einzubringen. Wir möchten unser Wissen auch teilen und die gesamte Branche dabei unterstützen, Immobilien zukunftsorientiert und nachhaltiger werden zu lassen. Aus diesem Grund haben wir uns über die Gemeinnützigkeit dazu verpflichtet, unsere Erkenntnisse auch zu veröffentlichen.“
Andreas Thamm: „Stellen Sie sich eine Pyramide vor. Ganz oben finden sich Themenbereiche, sogenannte Use Cases. Diese werden mit allen Stiftern gemeinsam identifiziert. Der jeweilige Themenbereich wird anschließend in Einzelthemen und schließlich einzelne Bausteine unterteilt. Hier wird in Arbeitsgruppen gearbeitet. Es wird nach unten hin sehr kleinteilig. Warum? Damit wir Dinge schnell stoppen können, wenn wir beispielsweise feststellen, dass etwas nicht funktioniert, die Technologie noch nicht so weit ist oder das Thema doch erst in fünf Jahren relevant sein wird. Wir können flexibel reagieren, weil wir schnell sehen, ob etwas funktioniert oder nicht.
Und da es keine kommerzielle Veranstaltung ist, darf man auch zu dem Ergebnis kommen: Macht keinen Sinn! Das ist ein Gewinn für alle, weil es eine Erkenntnis ist, die weiterhilft und eine Erkenntnis, die wir dann ebenfalls veröffentlichen würden.“
Andreas Thamm: „Ein übergeordnetes Thema, das immer wieder kommen wird, ist Datenerhebung und -nutzung. Wir haben auch einen riesigen Block an Energiethemen. Verständlicherweise jetzt sogar noch wichtiger, als es ursprünglich mal gesehen wurde. Eine Arbeitsgruppe geht der Frage nach, wie man Arbeiten automatisieren kann, damit nicht so viele Arbeitskräfte für Dienstleistungen im Bereich Facility Management benötigt werden. Das hängt unter anderem mit der Herausforderung zusammen, Personal in dem Bereich zu finden. Diesen erste große Themenbereich haben wir nicht diskutiert, sondern als Gründungsmitglied vorgegeben. Es ist ein Thema, dessen Mehrwert klar ist und an dem wir lernen, wie wir zusammenarbeiten können. Im Herbst 2022 werden wir sicher so weit sein, neue Themenbereiche gemeinsam zu identifizieren.“
Andreas Thamm: „Die ESG-Kriterien (ESG: Environmental Social, Governance) in Verbindung mit der EU-Taxonomie führen dazu, dass Gebäude klassifiziert werden. Die stetige Schärfung der Kriterien kann aus einem Gebäude der Klasse A++ innerhalb kürzester Zeit ein Gebäude der Klasse E oder G machen. Ich sehe die Herausforderung darin, etwas zu schaffen, was diese Gebäude immer weiter optimiert und den CO2-Fußabdruck im Lebenszyklus weiter verkleinert. Da wir u.a. die Funktion technischer Großanlagen durch Softwarelösungen optimieren, werden wir Algorithmen schreiben, diese weiterentwickeln und können hoffentlich bald Investoren Software-Updates mitgeben. Dabei geht es darum, durch Software-Lösungen bereits bestehende Gebäude zu verbessern und eine gute Klassifizierung zu erreichen und zu erhalten. Ein Nebeneffekt: Wertverlust kann vermieden werden, ohne dass das Gebäude umgebaut oder in neue Anlagentechnik investiert werden muss. Das ist meine Vision, der ich nachhänge und die sicherlich realisierbar ist.“
Andreas Thamm: „Absolut und das ist auch gut so. So werden Druckpunkte geschaffen, die wirklich Bewegung in die Branche bringen. Die Immobilienwirtschaft existierte jahrzehntelang in einem stabilen Umfeld und jetzt kommt viel Bewegung und Veränderung.“
Andreas Thamm: „Ja, definitiv. Vor allem bei Refurbishments von Immobilien! Software-Lösungen nach dem Tesla-Prinzip wäre eine Alternative. Wenn Sie das Auto gekauft haben, sind Sie in Software-Updates eingebunden, die zentral eingespielt werden können. So ähnlich stelle ich es mir auch für Immobilien vor.“
Andreas Thamm: „Es gibt viele Stiftungen und Initiativen, die sich mit den unterschiedlichsten Themen in diesem Bereich beschäftigen. Vor dem Hintergrund, schnell Themen zu identifizieren und Lösungsansätze auszuprobieren, gibt es in Deutschland jedoch nichts Vergleichbares. Diese Schnelligkeit und Agilität waren die Hauptmotivation für die meisten Stifter. Bereits Ende 2022 möchten wir die ersten Lösungsansätze pilotieren!“