Wie werden wir in der Post-Corona-Zeit leben und arbeiten? Diese Frage treibt derzeit vermutlich viele Menschen um. So standen entsprechende Szenarien im Fokus eines virtuellen Meetings zur Entwicklung der Innenstädte mit verschiedenen Playern aus der Kölner Immobilienbranche, an dem ich vor wenigen Tagen teilgenommen habe. Eine Erkenntnis aus dem Treffen: Die Nachfrage nach Privatimmobilien bleibt ungebremst hoch, und auch Gewerbeimmobilien in der Region boomen derzeit. Also alles „Business as usual“? Wohl kaum, meine ich. Denn das ist eine Momentaufnahme, die jedoch keine längerfristige Prognose skizziert.
Vielerorts sehen wir täglich, dass die Corona-Pandemie bereits tiefe Spuren in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht hinterlassen hat. Wenngleich dies zuvor undenkbar schien, arbeiten zehntausende Deutsche seit Monaten überwiegend im Home oder Mobile Office – auch das Team von ENGIE Deutschland, wo immer es möglich ist. Produkte aller Art shoppen wir online, mit nahezu unendlicher Auswahl und bequem mit wenigen Mausklicks. Selbst wir „digital immigrants“ mit 50+ Lebensjahren haben das – oft mit Unterstützung von Kindern und Enkeln – kennen und schätzen gelernt. Werden wir also künftig ausschließlich digital arbeiten und shoppen? Und was bedeutet dies für die Wohn- und Gewerbeimmobilien in Städten? Ist Corona ein Changemaker für den Gebäudesektor?
Durch die Corona-Pandemie ist vieles in Bewegung geraten. Im Gebäudesektor ist sie der Katalysator für ein Umdenken.
Klar ist: Covid 19 hat dazu geführt, dass wir unser Handeln in vielerlei Hinsicht verändert haben – schlagartig. Und zwar schlicht deshalb, weil die Situation keine anderen Optionen zuließ. Jedoch gab es die oben erwähnten Megatrends New Work und Digitalisierung bereits zuvor. Deshalb sehe ich die Corona-Pandemie weniger als disruptives Moment, denn als Katalysator. So hat die Krisenzeit zwar die Digitalisierung stark beschleunigt, nichtsdestotrotz hätten wir diese aber sowieso in den kommenden Jahren realisiert beziehungsweise realisieren müssen. Bei ENGIE Deutschland haben wir bereits seit Langem verstärkt an Digitalisierungsthemen gearbeitet; ohne Corona hätten wir schätzungsweise weitere fünf Jahre gebraucht, um im Daily Business eine ähnliche Durchdringung zu erreichen. Vermutlich wird es Ihnen in Ihrem Unternehmen ähnlich ergehen. So wird die Corona-Pandemie manche Entwicklung aus den vergangenen Jahren weiter befeuern. Manch andere jedoch wird sie auch ausbremsen und die Weichen neu stellen. Eines glaube ich jedoch keinesfalls: Dass der Mensch sich durch das Virus fundamental hinsichtlich seiner Vorstellungen und Bedürfnisse verändert hat. Wir sind soziale Wesen, wir haben ein natürliches Bedürfnis nach Interaktion, nach persönlichem Austausch und nach Nähe.
So weckt die Corona-Pandemie eine neue Sehnsucht nach dem Analogen. Wie ich mich darauf freue, hoffentlich in naher Zukunft wieder einen unbeschwerten Abend gemeinsam mit Freunden in meinem Lieblingsrestaurant verbringen zu können! Und dieses Gefühl kennen bestimmt auch Sie. Wir werden künftig nicht rein digital leben, konsumieren und arbeiten. Ich bin überzeugt: Ausgiebige Einkaufsbummel, gemütliche Kneipen- und Restaurantbesuche und Reisen werden wiederkommen. Ebenso bin ich aber auch davon überzeugt, dass es nicht in jederlei Hinsicht ein Zurück zum Altbekannten geben wird. Beispielsweise hat Corona die Landlust verstärkt: Viele Menschen haben in den vergangenen Monaten die Vorzüge des Lebens im Grünen schätzen gelernt – und werden auch nach der Krise dort bleiben und mobil von zu Hause aus arbeiten. Andere wiederum freuen sich sehr wohl darauf, wieder in ihr innerstädtisches Büro zurückzukehren. Insgesamt erscheint es mir aber als wahrscheinlich, dass sich die tägliche Frequentierung der Innenstädte dadurch auf einem niedrigeren Niveau als vor der Pandemie einpendeln wird. Was bedeutet allein dieser Aspekt für den Gebäudesektor? Persönlich gehe ich zum Beispiel davon aus, dass es in der Folge die Kombination aus Wohn- und Gewerbeimmobilien, wie wir sie typischerweise aus dem Zentrum von Mittelstädten kennen, künftig wohl nicht mehr geben wird. Die Zeit der großen Filialisten scheint vorbei zu sein, insbesondere Warenhäuser mit ihrem Vollsortiment sind schon lange nicht mehr zeitgemäß. Meiner Ansicht nach werden sich Innenstadtgebiete verstärkt zu „Wohnstädten“ entwickeln – mit dem Einkaufsangebot für den täglichen Bedarf, mit Restaurants, mit kulturellen Einrichtungen. Ganzheitliche Quartierslösungen werden gefragter; Shopping Malls entstehen eher auf der grünen Wiese. Zwar glaube ich nicht, dass der Einzelhandel vollständig aus der Innenstadt verschwinden wird; Luxus-Flaniermeilen werden sicherlich erhalten bleiben. Jedoch sind Gewerbetreibende gefordert, neue Konzepte für die City von morgen zu entwickeln. Und zwar vor dem Hintergrund des demografischen Wandels: Die Bevölkerung wird immer älter – wieso also nicht leerstehende Warenhäuser zu barrierefreien Wohnungen umgestalten? Für die neue Zielgruppe Senioren in den Innenstädten wiederum könnte der Einzelhandel Exklusivprodukte und neue Serviceleistungen anbieten. Entsprechende Entwicklungen haben sich schon länger abgezeichnet, nun gehen sie aufgrund der Pandemie eben in rasanterem Tempo von statten. Die Corona-Krise ist nicht die Ursache, kann aber als Katalysator für die Neuausrichtung der Innenstädte verstanden werden. Wir werden umdenken und Immobilien und Infrastruktur neu denken müssen – das ist eine Herausforderung, das ist aber auch eine enorme Chance.
Beflügelt wird diese Entwicklung durch einen Wandel in der Politik. Das neue Gebäudeenergiegesetz der Bundesregierung und der europäische Green Deal führen zu neuen Anforderungen an Immobilien. Auch das Thema ESG (Environment Social Governance) wird die Immobilienwirtschaft nachhaltig verändern. In diesem Zusammenhang denke ich aktuell auch an die große öffentliche Aufmerksamkeit für den Online-Klimagipfel der USA in der vergangenen Woche. Das ist ein klares Anzeichen, dass entscheidende Veränderungen in Bewegung geraten sind. Wir sehen schon länger im Privaten, dass Nachhaltigkeit mehr und mehr zum zentralen Entscheidungsfaktor wird. So zeigt eine aktuelle Studie des Nürnberger Konsumforschungsunternehmen GfK, dass 42 Prozent der befragten Haushalte aus zehn europäischen Ländern beim Einkauf auf Nachhaltigkeit achten – und dass Umweltthemen für deutsche Konsument:innen eine besonders wichtige Rolle spielen. Ich bin überzeugt, dass künftig auch jede wirtschaftliche Entscheidung dem Thema Klimaneutralität obliegen wird. In diesem Sinne fungiert die Corona-Pandemie auch als Katalysator für Klimaneutralität. Wie Unternehmen diese zuverlässig erreichen können – dafür haben wir bei ENGIE Deutschland den „Real Zero“-Plan mit fünf Stufen entwickelt. Dazu beraten unsere Expert:innen Sie gerne!
Wie bewerten Sie die Situation: Sehen Sie die Corona-Pandemie eher als Changemaker oder als Katalysator im Gebäudesektor? Ich freue mich, wenn Sie dazu mit mir über manfred.schmitz@engie.com in Austausch treten.
Herzlichst
Ihr Manfred Schmitz
CEO ENGIE Deutschland