Wasserstoff ist in mehrfacher Hinsicht das fehlende Element, das den Übergang zu einem zu 100% erneuerbaren und nachhaltigen Energiesystem ermöglichen kann. Aus erneuerbaren Energiequellen per Wasserelektrolyse hergestellt, ist grüner Wasserstoff ein emissionsfreier Mehrzweck-Energieträger. Die Mitte des Jahres verabschiedete Nationale Wasserstoffstrategie sieht den Aufbau von Erzeugungsanlagen von bis zu 5 Gigawatt Gesamtleistung bis 2030 und weitere 5 Gigawatt bis spätestens 2040 vor, ebenso wie zahlreiche Fördermöglichkeiten.
Anders als Strom kann Wasserstoff nicht nur kurzfristig, sondern über lange Zeiträume gespeichert werden und steht damit auch dann zur Verfügung, wenn der für seine Herstellung benötigte erneuerbare Strom gerade nicht produziert wird. Damit erschließen sich vollkommen neue, 100% regenerative Anwendungsbereiche für Strom aus Wind und Sonne. Wasserstoff kann dem Erdgasnetz beigemischt werden oder im Power-to-Gas-Verfahren zu synthetischem Methan (SNG) veredelt und anschließend in das Erdgasnetz eingespeist werden. Dies würde die Nutzung der bestehenden Erdgasinfrastruktur ohne Umbau ermöglichen, einschließlich Gaskraftwerke. Derzeit wird auch der Aufbau einer dezidierten Gastransportinfrastruktur für 100% Wasserstoff von den Ferngasnetzbetreibern geplant. Mit der Sektorkopplung lässt sich der Strom aus den erneuerbaren Energien in vielen weiteren Anwendungen einsetzen.
Vielfältigen Einsatz findet der Wasserstoff im Bereich der Mobilität. In Verbindung mit der Batterietechnologie könnte er den emissionsfreien Transport antreiben. Bei Fahrzeugen mit betrieblichen Einschränkungen, wie z.B. im Schwerlastverkehr, können Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge (FCEV) die Lücke zwischen Batterie-Elektrofahrzeugen (BEV) und Fahrzeugen mit konventionellen Verbrennungsmotoren schließen. Brennstoffzellen werden auch im Regionalzugverkehr bereits erprobt, während Personenfahrzeuge auf Langstrecken ein erhebliches Potenzial für FCEVs aufweisen. Ebenso wird Wasserstoff als Kraftstoff in Schifffahrt und Logistik getestet. Er dient zudem als Grundlage für synthetische Kraftstoffe, bekannt unter dem Stichwort “Power-to-Liquids”. Diese können in konventionellen Verbrennungsmotoren des Schwerlast- oder Flugverkehrs zum Einsatz kommen.
In der Industrie findet Wasserstoff vielfältige Anwendung, beispielsweise für die synthetische Herstellung von Ammoniak oder Methanol. Der erste Schritt besteht darin, die heutige Produktion von grauem Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen durch grünen Wasserstoff zu ersetzen. Zahlreiche Demonstrationsprojekte in Raffinerien sind bereits im Gange. Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Stahlproduktion kann Wasserstoff langfristig Kokskohle als Reduktionsmittel im klassischen Hochofenprozess ersetzen. Mittelfristig kann, wie es bereits heute erprobt wird, ein geringer Anteil von Wasserstoff im bestehenden Hochofenprozess eingesetzt werden, um so die CO2-Emissionen der Stahlerzeugung zu reduzieren. Weitere deutliche Reduktionen sind langfristig durch die Umstellung auf den sogenannten Direktreduktionsprozess möglich, in dem Wasserstoff vollständig als Reduktionsmittel zum Einsatz kommt. Dieses Verfahren wird bereits in einigen Ländern angewendet, auch in Deutschland findet sich eine Pilotanlage. Eine Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff kann grundsätzlich im Prozess erfolgen. Auch bei der Stahlveredelung, der Metallverarbeitung oder der Herstellung von Flachglas stellt grüner Wasserstoff eine spannende Alternative dar. In vielen Prozessen der energieintensiven Industrie ist eine Elektrifizierung nicht oder nur mit großem Aufwand möglich. Dort kann Wasserstoff zur Dekarbonisierung beitragen.
Abhängig vom Strompreis kann grüner Wasserstoff aus der Wasserelektrolyse im Vergleich zu grauem Wasserstoff bereits heute kosteneffizient sein. Bei einer weiteren Senkung der steuerlichen Belastung von Strom für die Wasserstofferzeugung wird sich die Technologie zu einer tragfähigen Lösung entwickeln.
Auch auf politischer Ebene wird derzeit diskutiert, wie man Wasserstoff wettbewerbsfähig in den Markt bringen kann. Dazu gehören klimapolitische Instrumente wie beispielsweise die Umlagebefreiung im Rahmen des EEG oder der Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile bei der Industrie (Carbon Contracts for Difference).
Grüner Wasserstoff steht noch am Anfang, es gibt aber bereits erste vielversprechende Praxistests und Anwendungen, an denen die ENGIE-Gruppe beteiligt ist:
Als Mitglied der European Clean Hydrogen Alliance unterstützt ENGIE aktiv die europäische Wasserstoffstrategie und setzt sich für einen ambitionierten Ausbau der Wasserstoffnutzung bis 2030 ein. Darüber hinaus engagiert sich ENGIE als Teil der Industrieinitiative Hydrogen Europe für die Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologie.