Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß in Deutschland um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 sinken. So sieht es das neue Klimaschutzgesetz der Bundesregierung vor. Für das Erreichen der ambitionierten Klimaziele rückt insbesondere die Energieerzeugung und -versorgung in den Fokus. Eine Hauptrolle spielt hierbei die schrittweise Ablösung des fossilen Energieträgers Kohle, der den heimischen Energiemix bis heute maßgeblich prägt: laut Umweltbundesamt mit einem Anteil von rund 18 Prozent am Primärenergieverbrauch 2019.
Obwohl Fernwärme aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) oder erneuerbaren Energien als besonders effizient, kostengünstig und umweltfreundlich gilt, kann die Neugestaltung der Fernwärmeversorgung einen großen Beitrag zur Reduzierung von Treibhausgasen leisten. Gerade bei der notwendigen Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung sowie der Modernisierung älterer Bestandsnetze bietet die Fernwärme viele Anknüpfungspunkte für innovative und nachhaltige Projekte.
Gegenwärtig deckt die Fernwärmeversorgung rund 10 Prozent des Gebäudewärmebedarfs in Deutschland ab. Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes stellen die Betreiber von Fernwärmenetzen dabei jährlich mehr als 160 Terawattstunden (TWh) Wärme zur Verfügung. Ausgehend von einem CO2-Fußabdruck von 280 Gramm pro erzeugter Kilowattstunde (Merkblatt zu den CO2-Faktoren des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) ergibt sich daraus deutschlandweit ein jährlicher Kohlendioxid-Ausstoß von rund 45 Millionen Tonnen.
Zwar wird bereits heute ein erheblicher Teil der Fernwärme in KWK-Anlagen erzeugt. In vielen Kraftwerken kommen dabei allerdings nach wie vor Stein- und Braunkohle zum Einsatz, die als die beiden klimaschädlichsten Energieträger gelten.
Fernwärmeerzeugung in Deutschland nach Brennstoffen 2019:
Mittelfristige Strategien zur Transformation der Fernwärmeversorgung, wie etwa die Klimapfade des Bundesverbandes der Industrie, peilen daher zunächst einen stärkeren Umstieg von Kohle auf klimafreundlicheres Gas und in der weiteren Entwicklung eine massive Ausweitung der Nutzung von erneuerbaren Energien für die Fernwärmeerzeugung an.
Eine weitere große Herausforderung für die CO2-Reduzierung im Bereich Fernwärme stellen veraltete Bestandsnetze dar. Nutzten die mehr als 40 Jahre alten Wärmenetze der ersten und zweiten Generation noch Heißwasser und Dampf mit Temperaturen von 130 bis zu 200 Grad Celsius, kommen zum Beispiel modernere Niedrigtemperatur- und Low-Ex-Netze mit deutlich niedrigeren Temperaturen von unter 100 beziehungsweise 60 Grad Celsius aus. Diese Absenkung der Netztemperaturen ermöglicht allerdings überhaupt erst die wirtschaftliche Einbindung CO2-armer Technologien. Hinzu kommt, dass der Fernwärmemarkt überwiegend aus Großnetzen besteht, in denen die Netztemperatur nicht einfach ganzheitlich abgesenkt werden kann. Neben der Modernisierung der Netze ist also vielerorts auch eine Neustrukturierung erforderlich, mit einem effizienteren Temperaturmanagement von der Erzeugung bis zum Endkunden.
Mit zwei wegweisenden Projekten treibt ENGIE Deutschland den nachhaltigen Wandel im Bereich Fernwärme voran und stellt gemeinsam mit ihren lokalen Partnern in Gera und Saarbrücken die Fernwärmeversorgung und -erzeugung gerade neu auf:
Im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts haben ENGIE und die Energieversorgung Gera (EGG) die Fernwärmeversorgung in Gera zwischen 2017 und 2019 komplett neu aufgestellt. Als Ersatz für das über 20 Jahre alte Heizkraftwerk Gera-Nord sowie das Heizwerk Süd der EGG errichtete ENGIE Deutschland für 46 Millionen Euro zwei moderne Heizkraftwerke in Gera-Lusan und Gera-Tinz. Die beiden Anlagen mit insgesamt neun gasbetriebenen Blockheizkraftwerken (BHKW) und sechs Gaskesselanlagen besitzen aufsummiert eine installierte Gesamterzeugerleistung von 145 Megawatt thermische sowie 40,5 Megawatt elektrische Leistung und liefern bedarfsgerecht Fernwärme für 19.000 und Strom für rund 55.000 Haushalte im Stadtgebiet.
Parallel zum Bau der neuen Kraftwerke investierte die Energieversorgung Gera zusätzlich acht Millionen Euro in die Erneuerung der Fernwärmenetz-Struktur. Im Zuge der Modernisierungen trennte die EGG ihr Versorgungsnetz in zwei separate Teilnetze auf und stellte das Primärnetz von einer teilweisen Hochdruckdampf-Nutzung komplett auf Heißwasser um. Einer der positiven Effekte: Durch die neue Netzstruktur konnten die Leitungsverluste im Fernwärmesystem halbiert werden, was einer jährlichen Ersparnis von 35 Gigawattstunden entspricht.
„Mit der Umstellung der Fernwärmeversorgung von zentralen auf dezentrale Erzeugungseinheiten haben wir die Energiewende in Gera vorangebracht“, erläutert Manfred Schmitz, Vorstandsvorsitzender von ENGIE Deutschland. „Durch den Ersatz der alten Kraftwerke erzeugen wir die Wärme jetzt da, wo sie gebraucht wird, und erhöhen die Effizienz. Mit der Umstellung der Fernwärme inklusive Netz sparen wir pro Jahr circa 50.000 Tonnen CO2. Das entspricht der Menge CO2, die 4 Millionen Buchen jährlich speichern“, so Schmitz.
Mit der Errichtung des neuen Gasmotorenkraftwerks Römerbrücke (GAMOR) investiert die Saarbrücker Energie SaarLorLux, ein gemeinsames Unternehmen der ENGIE Deutschland (51 Prozent) und der Stadtwerke Saarbrücken (49 Prozent), maßgeblich in den heimischen Energiestandort. Im Kontext der mit rund 80 Millionen Euro Volumen größten Neuinvestition der Unternehmensgeschichte verfolgt der Energieversorger das Ziel, den endgültigen Ausstieg aus der Kohle in Saarbrücken zu verwirklichen. So soll mit der Fertigstellung des Projekts 2022 der letzte Teil der Kohleverfeuerung im benachbarten Heizkraftwerk Römerbrücke außer Betrieb gehen.
Zur Sicherstellung der Energieversorgung in der saarländischen Landeshauptstadt trägt GAMOR ab 2022 mit fünf leistungsstarken Gasmotoren bei; mit ihrer thermischen und elektrischen Gesamtleistung von über 50 Megawatt können sie rund 65.000 Haushalte mit Strom und 13.000 Haushalte mit Fernwärme versorgen. Ein zusätzlich in Planung befindlicher Wärmespeicher sorgt dafür, dass die Anlage auch außerhalb der Spitzenlastzeiten hocheffizient betrieben werden kann. Gut für die Umwelt! Mit dem neuen Gasmotorenwerk spart die Energie SaarLorLux jährlich rund 60.000 Tonnen CO2 in Saarbrücken. Darüber hinaus arbeitet das Unternehmen gemeinsam mit den Stadtwerken Saarbrücken daran, das Fernwärmenetz zu optimieren und das Temperaturniveau zu senken.
„Vor Ort liegt das größte Potenzial für die Umsetzung der Energiewende – wenn man bestehende Strukturen hinterfragt und an neue Gegebenheiten anpasst“, macht Manfred Schmitz deutlich. Vor allem im Hinblick auf die Ablösung von Kohle als Energieträger sowie auf die Modernisierung und Neustrukturierung der Fernwärmenetze besteht in vielen Kommunen noch ein erheblicher Anpassungsbedarf. Um die langfristigen Klimaziele erreichen zu können, hat auch die Fernwärmeversorgung einen nicht unbedeutenden Anteil zu leisten. Je mehr Betreiber hier aktiv vorangehen, desto besser!