Mittelständlern fehlt oft die Expertise in Energie- und Klimaschutzfragen. Fördermaßnahmen sollten daher bei den Lieferanten von Betriebsmedien ansetzen.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner überraschenden Entscheidung vom 24. März 2021 die deutsche Klimaschutz- und Energiepolitik unter Druck gesetzt. Wurde 2019 zunächst das politische Ziel formuliert, in Deutschland bis zur Mitte des Jahrhunderts faktisch keine Treibhausgase mehr zu emittieren, so soll nun die Klimaneutralität bereits im Jahr 2045 erreicht werden.
Die Verschärfung von Zielen allein ist freilich keine Gewähr für den Erfolg der Politik. Notwendig sind jetzt konkrete Maßnahmen und tragfähige Konzepte, mit denen diese zügige Reduktion der CO2-Emissionen erreicht werden kann – unter der möglichst strikten Nebenbedingung, die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft wie die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland nicht zu gefährden.
Die Hürden auf dem Weg zur Klimaneutralität sind zweifellos hoch, aber nicht unüberwindbar. Da die Unternehmen, vor allem die deutsche Industrie, zu den größten Energieverbrauchern und Treibhausgasemittenten zählen, kommt ihnen beim Umbau der Volkswirtschaft eine zentrale Rolle zu. Dabei dürften zwei Maßnahmen im Mittelpunkt stehen: Zum einen müssen die genutzten Betriebsmedien wie Strom, Wärme, Kälte, Druckluft oder Dampf mit geringeren CO2-Emissionen als bisher erzeugt werden; im Idealfall werden sie vollständig klimaneutral erzeugt. Zum zweiten gilt es, die Energieeffizienz der Geschäftsabläufe, der Produktionsprozesse und der Gebäude deutlich zu verbessern.
Beide Maßnahmen hätten den Rückgang des Energieeinsatzes je Produktionseinheit zur Folge. Gelingt dies, dann können die Treibhausgasemissionen trotz steigender Produktion deutlich reduziert werden. Energieverbrauch und Wertschöpfung werden stärker als bisher entkoppelt.
Das Handelsblatt Research Institute (HRI) hat in Kooperation mit dem Bundesverband der Mittelständischen Wirtschaft (BVMW) kleine und mittlere Unternehmen (KMU) befragt, wie groß ihre Bereitschaft ist, die anstehenden Klimaschutzmaßnahmen an Energiedienstleister auszulagern – und somit die notwendigen Investitionen nicht selbst zu tätigen. Der Großteil der befragten Unternehmen betrachtet Klimaneutralität durchaus als Chance und möchte die energetische Modernisierung der Produktionsprozesse und Gebäude aktiv angehen. Deutlich mehr als die Hälfte der befragten Mittelständler steht aber auch einer langfristigen Partnerschaft mit externen Dienstleistern offen gegenüber, um die Klimaziele zu erreichen.
Ein entscheidender Vorteil solch eines „Contracting“ aus Sicht der Mittelständler ist die Verlagerung von Kosten- und Ergebnisrisiken auf den Contractor. So können die Versorgungssicherheit bei Betriebsmedien erhöht und die Kosten besser geplant werden. Damit steigt der Anreiz für die Unternehmen, die Gebäude und Produktionsprozesse energetisch zu modernisieren.
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse gibt es gute Argumente, dem seit mehr als 30 Jahren bewährten Contracting einen größeren Raum als bisher einzuräumen, um insbesondere die im Mittelstand vorhandenen großen Klimaschutzpotenziale schnell und umfassend auszuschöpfen. Der Grund: Es handelt es sich hier vielfach um Unternehmen, die in nicht ausreichendem Maße über personelle und technologische Expertise in Fragen der Energieversorgung und Energieeffizienz verfügen. Zudem fehlt den Geschäftsführungen nicht selten die Kenntnis über die öffentlichen Fördermöglichkeiten für betriebliche Klimaschutzmaßnahmen.
Im Ergebnis, so die HRI-Studie, profitieren drei Parteien: das mittelständische Unternehmen, der Contractor – und nicht zuletzt die Umwelt.