Agri-Photovoltaik (Agri-PV) ist ein spannendes Thema für Energieerzeuger und Landwirte. Kein Wunder, die gleichzeitige Nutzung von Flächen für Photovoltaikanlagen und landwirtschaftliche Zwecke löst einen klassischen Zielkonflikt. So trägt Agri-PV auf innovative Weise zur Energiewende bei. In diesem Beitrag erklären wir Ihnen die Gründe dafür und liefern Ihnen weitere lesenswerte Fakten.
Lebensmittel und Energie stellen lebensnotwendige Grundlagen unserer Gesellschaft dar. Dabei haben der Anbau von Nahrungsmitteln und die Erzeugung von Strom eines gemein: Sie benötigen viel Platz. So erfordert der Ausbau der Photovoltaik neue Freiflächen. Das können zwar Dächer sein. Als Standort größerer Anlagenkomplexe dienen jedoch insbesondere Wiesen und Äcker. Dort geraten konventionelle Anlagen allerdings in einen Nutzungskonflikt. Sie belegen die Flächen, die zuvor für landwirtschaftliche Zwecke vorgesehen waren. Landwirte und andere Grundbesitzer mussten sich daher bislang entscheiden: Strom oder Nahrungsmittel – beides geht nicht.
Das Prinzip von Agri-PV ist so einfach wie genial. Speziell konstruierte Photovoltaikanlagen erlauben die doppelte Nutzung einer Fläche für die Stromerzeugung sowie zur Nahrungsmittelproduktion. Das Konzept ist nicht neu. Im Beitrag „Kartoffeln unter dem Kollektor“ in der Zeitschrift „Sonnenenergie“ diskutierten die Physiker Prof. Dr. Adolf Goetzberger und Dr. Armin Zastrow die Idee bereits im Jahr 1981. Heute wird das Prinzip auf deutschen Äckern angewendet. Das Verfahren ermöglicht den Ausbau der Photovoltaik bei gleichzeitigem Erhalt landwirtschaftlicher Nutzflächen. Das ist eine regelrechte Win-win-Situation für die Energiewende und die Landwirtschaft – nebst zahlreichen weiteren Vorteilen für Landwirte, Grundbesitzer und Anlagenbetreiber.
In Deutschland kommen für Agri-PV insbesondere zwei gängige Anlagentypen zum Einsatz: hochaufgeständerte sowie bodennahe Anlagen.
Hochaufgeständerte Agri-PV-Anlagen sind über ein Gestänge in der Regel vier bis sechs Meter hoch aufgebockt. Die Modulunterkanten liegen mindestens 2,1 Meter über dem Boden. Für die landwirtschaftliche Nutzung hat die Aufständerung wesentliche Vorteile: Selbst große Pflanzen können unter den Modulreihen wachsen oder Nutztiere wie Kühe sich bewegen. Je nach Anlagenhöhe und -breite ist es zudem möglich, mit landwirtschaftlichen Maschinen wie Traktoren unter den Modulen entlangzufahren.
Vorteile hochaufgeständerter Anlagen:
Gut zu wissen: Die Investitionskosten für hochaufgeständerte Anlagen sind mindestens doppelt so hoch wie für konventionelle Photovoltaikanlagen. Konkret hängen die Kosten von der gewünschten Aufständerungshöhe sowie der Anzahl der aufgebockten Module ab. Den höheren Kosten entgegenzurechnen sind natürlich je nach Anwendungsfall die Gewinne aus den landwirtschaftlichen Erträgen.
Bodennahe Agri-PV-Anlagen liegen deutlich tiefer als hochaufgeständerte. Die Modulunterkanten dieses Anlagentyps befinden sich maximal 2,1 Meter über dem Grund. Üblich sind sogenannte vertikal-bifaziale Konstruktionen. Dabei handelt es sich um senkrecht aufgeständerte Module mit Solarzellen auf den Modulvorder- und -rückseiten. Bodennahe Anlagen werden zumeist in Reihen in einem Abstand von 8 bis 12 Metern aufgestellt. Dazwischen erfolgt die landwirtschaftliche Nutzung der Bodenflächen. Pflanzen mit hoher Wuchshöhe sind hierzu allerdings ungeeignet, da sie die Module verschatten können und somit deren Leistungsfähigkeit schmälern.
Vorteile bodennaher Anlagen:
Gut zu wissen: Bodennahe Anlagen sind im Regelfall günstiger als hochaufgeständerte Varianten.
Hierzulande schreitet der Einsatz des neuen Verfahrens langsam voran. Bereits umgesetzt wurden kleinere Forschungsprojekte und Praxistests. Pauschale Empfehlungen für Agri-PV-Anlagen lassen sich jedoch bislang nicht aussprechen. Derzeit forschen Energie- und Agrarexperten an dem Verfahren, um wirtschaftliche und umweltgerechte Konzepte zu schaffen. Das Potenzial ist in jedem Fall vorhanden. Nach einer Hochrechnung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE könnten allein hochaufgeständerte Agri-PV-Anlagen eine Leistung von rund 1.700 GWp auf die deutschen Äcker bringen. Aufgrund der breiten Varianz im Ackerbau und in der Nutztierhaltung sowie in Anbetracht individueller Standortbedingungen wird es dafür allerdings kein Standardprodukt geben. Die Anlagenarten und -größen werden sich zwischen den verschiedenen Regionen Deutschlands unterscheiden. Im Norden dürfte es aufgrund der Sonneneinstrahlung eher größere Anlagen geben, im Süden des Landes zumeist kleinere Systeme, so das Fraunhofer-Institut.
Der rechtliche Rahmen für Agri-PV ist zwar grundsätzlich vorhanden, jedoch noch lange nicht ausgereift. Wer eine Agri-PV-Anlage errichten will, muss die geplante Bewirtschaftungsform grundsätzlich in einem Nutzungskonzept festhalten. Hierin werden unter anderem Angaben zum Flächenverlust, zur Licht- und Wasserverfügbarkeit, zur Minimierung der Bodenerosion und nicht zuletzt zur wirtschaftlichen Tragfähigkeit gemacht. Für die Baugenehmigung sind Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) in puncto artenschutzrechtlicher Prüfung, Mikroklima und Biodiversität einzuhalten. Die Genehmigungsverfahren sind allerdings oftmals nicht adäquat und orientieren sich an teils veralteten Kriterien für konventionelle Photovoltaikanlagen.
Doch Standards, die diesbezüglich Orientierung bieten, gibt es bereits. Mit der DIN SPEC 91434 „Agri-Photovoltaik-Anlagen – Anforderungen an die landwirtschaftliche Hauptnutzung“ hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE einen neuen Rahmen geschaffen. Die Norm legt Auflagen für Agri-PV fest etwa, um eine missbräuchliche Nutzung zu verhindern. Aktuell wird die DIN SPEC 91434 überarbeitet und soll mitunter Vorgaben zur Nutzierhaltung enthalten. Bislang gibt es dafür in Verbindung mit Photovoltaik keinen rechtlichen Rahmen.
Die Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sehen außerdem erweiterte Rahmenbedingungen für den Ausbau vor. So zählt Agri-PV neben schwimmenden Anlagen auf Seen, Randstreifen und Mooren zur erweiterten Flächenkulisse für Freiflächenanlagen. In die Regelausschreibungen wurden zudem drei neue Förderbestände aufgenommen: Acker-Agri-PV, Kulturen-Agri-PV sowie Grünland-Agri-PV. Hinzu kommt eine Technologieprämie für hochaufgeständerte Anlagen.
Gut zu wissen: Landwirtschaftliche Betriebe, die Agri-PV nutzen, erhalten weiterhin Agrarsubventionen, sofern die betrieblichen Flächen zu mindestens 85 Prozent für landwirtschaftliche Zwecke genutzt werden.
Als Innovator für erneuerbare Energien verstehen wir das Konzept der Agri-PV als eine große Chance für die Energiewende in Deutschland. Das Verfahren löst Flächennutzungskonflikte und hat hierzulande große Potenziale. Die Genehmigungsverfahren sind in Deutschland zwar streng, das hat jedoch auch gute Seiten: Die hohen Anforderungen bringen Photovoltaik, Landwirtschaft und Umweltschutz in Einklang und fördern die Akzeptanz der Technologie unter Landwirten und in der Bevölkerung.
Übrigens: Wir von ENGIE beschäftigen uns schon länger mit dem Thema der Agri-Photovoltaik. Bereits 2011 wurden in Frankreich die ersten Agri-PV-Anlagen installiert. Ab 2015 folgten großflächige Systeme auf einem Areal von 10 Hektar und mehr. Das macht unser Nachbarland zur Wiege der Agri-PV in Europa. Unser Forschungslabor ENGIE Laborelec trägt dort mit innovativen Pilotprojekten zur Weiterentwicklung der Technologie bei. Hierzu zählt die Camelia-Demonstrationsanlage in Laqueuille in der Auvergne. Die vertikal-bifaziale Pilotanlage steht auf einer zur Nutztierhaltung eingesetzten Wiese und erreicht eine Leistung von 100 kWp. Auf diesem weit reichenden Know-How aufbauend entwickelt ENGIE derzeit die ersten größeren Agri-PV Projekte in Deutschland.